Äußeres Holstentor
Dem technischen Fortschritt ist Mitte des 19. Jahrhunderts eines der bedeutendsten Lübecker Baudenkmäler zum Opfer gefallen. Bis dahin war das Äußere Holstentor, im Volksmund auch „Krummes Tor“ genannt, mehr als 250 Jahre Lübecks prächtige Eingangspforte von Westen her. 1853 musste es dem ersten Lübecker Bahnhof und seinen Gleisanlagen weichen.
Einheimische und Touristen kennen nur das 1477 vollendete Holstentor, das Entrèe und weltbekannte Wahrzeichen Lübecks. Wie heute, stand es damals zunächst mehr als 100 Jahre frei vor der Brücke über die Trave und diente dem Schutz des Hafens und der Stadt. Etwa Mitte des 16. Jahrhunderts wurde vor dem Holstentor eine erste Wallanlage errichtet. Dies erforderte den Bau eines neuen Turmes, der in den Wall eingebettet wurde. Es entstand ein Gebäude mit einem angewinkelten Torweg.
Sein Bau war 1585 abgeschlossen. Als Verbindung zu dem 20 Meter entfernten Holstentor wurde ein Zwinger angelegt.Die Außenfassade des neuen Tores war wie ein dreiteiliger Triumphbogen gegliedert. Die Front im Stile der niederländischen Renaissance bestand aus einer Mischung von Haustein- und Ziegelrohbau. Sie war mit Pilastern, Voluten, Obelisken und Kriegerfiguren reich verziert. Wegen Verwitterung mussten die Hausteinteile mehrfach ausgebessert und restauriert werden.
Die Stadtseite dagegen bestand aus einem schlichten backsteinsichtigen Giebel mit rundbogigen Elementen. Über den Torbogen dieser Front stand: „PULCHA RES EST PAX FORIS ET DOMI CONCORDIA – AN MDLXXXV“ (Es ist eine schöne Sache, wenn draußen Frieden und drinnen Eintracht herrscht – im Jahre 1585). Bei einer Restaurierung wurde die Inschrift entfernt und in veränderter Fassung an der Feldseite des Tores angebracht. Sie lautet nun: „CONCORDIA DOMI ET FORIS PAX SANE RES EST OMNIUM PULCHERRIMA“ (Eintracht zu Hause und draußen Frieden ist das beste für alle).
An der Renaissancefront war über dem Torbogen der von zwei Löwen gehaltene lübsche Doppeladler angebracht, in den Seitenfeldern der Front der „geteilte lübsche Schild“. Auf der Giebelspitze befand sich der Reichsadler. Er wurde 1811, ebenso wie der lübsche Doppeladler, auf Anordnung der französischen Verwaltung entfernt (Lübeck war 1811 bis 1813 Stadt des Französischen Reiches).
Im Innern des Tores befanden sich zu beiden Seiten des Durchganges gewölbte Räume, die als Kasematten dienten. Auf dem Wall an der nördlichen Seite des Bauwerkes waren kleine Gebäude an das Tor angebaut. Dort wohnte auch der Wallmeister.
Über den Erbauer des Tores ist nichts genaues bekannt. vermutlich war es der Ratsbaumeister Hermann von Rode. Ihm werden auch die Renaissancefassaden des Zeughauses und des Kanzleigebäudes zugeschrieben.
Mit dem Einzug der Eisenbahn nach Lübeck kam das Ende des Bauwerkes. Nach langen Verhandlungen über die Streckenführung entstand die Bahnverbindung Lübeck – Büchen. Auf diesem Umweg erhielt Lübeck eine Anbindung an die Bahnstrecke Hamburg – Berlin und damit Zugang zu weiteren Strecken. Die ursprünglich geplante direkte Verbindung nach Hamburg hätte durch das damals dänische Holstein geführt und wurde von der dänische Regierung unterbunden.
1851 entstand der erste Lübecker Bahnhof, etwa dort, wo heute der westliche Teil der Landeszentralbank steht. Dem Hauptgebäude, den Nebenanlagen und den Gleisen musste das „Äußere Holstentor“ weichen. Ironie der Geschichte: Auch dieser Bahnhof existiert längst nicht mehr.
Quellen: 1) Bau- und Kunstdenkmäler der Hansestadt Lübeck von H. Rathgens und F. Bruns (1939) 2) Die Mauern und Tore Lübecks von C. Wehrmann (1893) 3) Beiträge zu einer Baugeschicht Lübecks von Dr. W. Brehmer (1898) 4) Das Holstentor von W. Schadendorf.
Standort: Neben dem Kiosk vor der Holstentorhalle
Aufstellung: 08.07.2002