Das Schiff entsteht
"Wenn du mit anderen ein Schiff bauen willst,
so beginne nicht mit ihnen Holz zu sammeln,
sondern wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem weiten, unendlichen Meer"
- Antoine de Saint-Exupery -
Die Sehnsucht, endlich mit dem Bau des Schiffes anzufangen und nach Fertigstellung auf den alten Hanserouten zu segeln, konnte nach siebenjähriger Planung nicht größer sein.
Die Bauläne waren in den Grundzügen erstellt. Es fehlten aber ein geeigneter Bauplatz an seeschifftiefem Wasser und der Startschuss für die geplante AB-Maßnahme.
Ende 1998 wurden erfolgreiche Verhandlungen mit der Hansestadt Lübeck geführt. Das Ergebnis war die mietfreie Überlassung des Hafenschuppens D und einer 3000m² großen Freifläche für den Bau des Hanseschiffes. Gleichzeitig bewilligte das Arbeitsamt Lübeck einjährige Qualifizierungsmaßnahmen für 40 bisher arbeitslose 19-25-jährige Jungerwachsene. Als Anleiter fungierten im Rahmen von ABM-Verträgen 15 Meister und Facharbeiter. Einschließlich der Verwaltung startete die Hanseschiff-Werft am 01. April 1999 mit über 60 Personen.
Nun musste die Begeisterung für den Schiffbau auch auf die Belegschaft überspringen. Zuerst gab es jedoch ganz andere Probleme. Der Hafenschuppen D war leer und auf dem Bauplatz lag ein Wrack. Das Fischkutterwrack war in kurzer Zeit beseitigt, sodass der Bauplatz für die Kiellegung hergerichtet werden konnte. Der Ausbau des Schuppens sollte sich noch ein ganzes Jahr hinziehen. Eine komplette Werfttischlerei wurde in Eigenregie in Bremen demontiert und im Schuppen D wieder aufgebaut. Eine Schlosserei und ein Magazin wurden eingerichtet, Büros, Sozialräume und ein 100 m² großer Schulungsraum wurden aus Büro- und Seecontainern erstellt. Am 31. Juli 1999 fand parallel zu den Bauarbeiten die feierliche Kiellegung des Hanseschiffes statt. Der aus 30x40 cm dicken Eichenbalken gelaschte Kiel ist 20 m lang und bildet das Rückgrat des Schiffes. Für den Kiel und die Spanten hat der Projektleiter, Bootsbaumeister Heino Schmarje, bereits im Frühjahr 1999 das Holz im Wald ausgesucht und einschlagen lassen. Insgesamt sind 170 Eichen im Schiff verbaut.
Die bis zu 300 Jahre alten Bäume stammen alle aus dem Lübecker Stadtwald. Das Holz für Kiel und Spanten wurde „grün“ verbaut, d.h. es musste noch zwei Jahre am Schiff trocknen. Die dadurch bedingten Schrumpfungen um bis zu 7% musste durch entsprechende Materialzugabe berücksichtigt werden.Für die Beplankung des Rumpfes musste jedoch genügend abgelagertes Holz vorrätig sein. Ansonsten wären die Plankenfugen viel zu groß geworden.
Vorne ist der 20 m lange Kiel durch das Stevenknie mit dem Vorsteven verbunden. Dieser ca. 3 Tonnen wiegende Steven besteht aus Innen- und Außensteven. Sie wurden jeweils aus zwei dicken Zauneichenstämmen gefertigt. Zauneichen, die am Waldrand wachsen, haben durch besondere Lichteinflüsse oftmals krumme Stämme. Aus diesem wird, möglichst parallel zum Holzfaserverlauf, das zu fertigende Bauteil geschnitten. Achtern ist, mit leichter Neigung nach hinten, der gerade Achtersteven aufgestellt. Er benötigte kein Stevenknie, da er gegen die Aufklotzung stößt. Aufklotzung nennt man das Holz, welches am hinteren Ende des Schiffes auf den Kiel gestapelt ist. Hier ist das Schiff unter der Wasserlinie zu schlank um einen Hohlkörper aus Spanten zu schaffen.
Mit Kiel, Vor- und Achtersteven sind die äußeren Umrisse des Schiffsrumpfes in Längsrichtung geschaffen. Um daraus einen Schiffskörper zu machen, müssen jedoch noch die Spanten gebaut werden. Beim Hanseschiff sind es 42 Stück. Die äußeren Umrisse dieser Spanten können sie auf dem Spantenriss erkennen. In der Schiffsmitte, vor und hinter dem Vorsteven, werden auch die Spanten möglicht parallel zum Faserverlauf geschnitten. Man muss also schon im Wald bei der Holzsuche das zu bauende Schiff im Kopf haben. Findet man kein passenden Stück Holz für ein Bauteil, muss dieses umkonstruiert werden. Der Bootsbauer sagt: “Der Baum zeigt den Weg!“
Auf die Bodenwrangen (das über dem Kiel laufende untere Holz der Spanten) wird der Innenkiel, das so genannte Kielschwein gelegt. Damit ist das „Rückgrat“ des Schiffes hergestellt. Auf halber Spanthöhe wird an jeder Schiffsseite ein 8 cm dicker Kimmweger als innerer Längsverband angebracht. Er verbindet die Spanten untereinander. An den oberen Spantenenden verlaufen die Balk- und Nebenbalkweger. Sie dienen – neben der Verbindung der Spanten – als Auflage für die Decksbalken. Mit dem Vorsteven sind die Weger durch das Bugband (Bauer genannt) verbunden.
Die Decksbalken, die mittschiffs etwa 8 m lang sind, haben eine Balkenbucht (Krümmung) von 30 cm zur Mitte nach oben, damit auf dem Deck das Regen- und Spritzwasser besser abfließt. Sie werden nicht aus Krummholz ausgesägt, sondern gedämpft und gebogen. Bei einem Querschnitt von 25x26 cm ist das mit viel Kraft verbunden. Dort, wo die Luken oder Niedergänge ins Deck eingelassen werden, sind die Decksbalken in L&¨ngsschiffrichtung durch Schlingen verbunden. Die Hölzer wurden mit 20 mm starken Bolzen verbunden. Diese haben eine Gesamtlänge von über 300 m.
Auf dem eigentlichen Schiffsrumpf befinden sich beim Hanseschiff die beiden Kastelle. Das Gerüst der Kastelle entstand durch die Auflanger. Diese senkrechten Pfosten sind Verlängerungen der Spanten. Am oberen Ende der Auflanger befindet sich wieder eine Wegerung. Auf diesen Hölzern liegen die Decksbalken für die Kastelldecks. Nach Abschluss der Arbeiten im Herbst 2001 war das Spantengerippe fertiggestellt. Das Schiff war klar zum Beplanken.
Planken sind Bretter – oder in unsere Fall für den Rumpf 8 cm dicke Eichenbohlen – mit denen das Schiffsgerippe verkleidet wird. Das Hanseschiff hat insgesamt 4170 m Planken. Diese gliedern sich in die eichenen Rumpfplanken und die aus Lärche bestehenden Decks- und Kastellplanken. Die Rumpfplanken sind ca. 20 cm hoch und 6-10 m lang. Am Bug des Schiffes, wo der Rumpf starke Rundungen aufweist, mussten die Planken gedämpft und vorgebogen werden. Gedämpft wurde in der Steamkiste. Das ist eine 10 m lange isolierte Holzröhre durch die Dampf strömt. Während des ca. dreistündigen Dämpfens sind die Holzfasern geschmeidig gekocht worden. Nur so ließen sich die Planken extrem biegen, ohne zu brechen. In einem extra konstruierten Biegegestell wurden die Planken entsprechen der Rumpfform gebogen. Nach dem Auskühlen (über Nacht) haben sie die Krümmung beibehalten und konnten am Schiff montiert werden.
Mit Schraubzwingen, Wagenwinden und Knebeln wurden die Planken an die Spanten gedrückt. Die französische Beplankungstechnik hat das vereinfacht. So wurde, zunächst von oben (Scheergang) angefangen, jede vierte Planke angebracht. Anschließend wurde jeweils eine Planke über und unter diese gesetzt. So konnte man besser mit Schraubzwingen arbeiten. Der jeweils freibleibende Gang wurde durch eine Stopperplanke geschlossen. Diese wurde so passgenau angefertigt, dass man sie wie einen Keil zwischen zwei Plankengänge einschlagen konnte und sie somit ohne Zwingen fixiert war.
Die Planken wurden an jedem unterliegenden Spant jeweils mit zwei Nägeln befestigt. 8000 dieser 200 mm langen, 14 mm dicken Nägeln sind auf der Hanseschiff-Werft geschmiedet worden. Trotz der anschließenden Verzinkung besteht die Gefahr des Rostens, da das Eichenholz sehr gerbsäurehaltig ist und in Verbindung mit Wasser Stahl angreift. Aus diesem Grund wurden alle Nägel versenkt und mit Holzproppen verpropft. Zur Hansezeit hat man diese Technik nicht angewendet. Man hat wahrscheinlich damals die hervorstehenden Eisennägelköpfe wieder und wieder gepicht (mit Pech eingestrichen), um die Korrosion etwas aufzuhalten.
Nachdem das ganze Jahr 2002 Rumpf, Decks und Kastelle beplankt wurden, konnte im Frühjahr 2003 mit dem Abdichten der Nähte zwischen den einzelnen Planken begonnen werden. Der Bootsbauer nennt das Kalfatern. Hierbei wird geteerter Hanf (Werg), der zuvor zu fingerdicken Fäden gesponnen wurde, mit so genannten Kalfateisen in die Nähte geschlagen. Dieser Vorgang wiederholt sich ein- bis zweimal. Anschließend gießt man die Fugen mit Pech (Marineglue) aus.
Parallel zu diesen Arbeiten sind in den Werkstätten der Hanseschiff-Werft die Eisenbeschläge des Schiffs gefertigt worden. Auch die über 100 Blöcke für die Takelage sind auf der Werft entstanden. Das 5 m hohe Ruderblatt, die Mastkörbe, die Lukensülls und das Skylight für die Großluke wurden gebaut. Außerdem wurden die Masten gehobelt – für die ungeübte Mannschaft eine große Herausforderung. Es sind sogenannte Pfalmasten, d.h. jeder Mast ist aus einem einzigen Baum gefertigt. Eine 40 m lange Douglasie wurde für den Großmast gefällt. Zuvor wurden die Bäume 15 Monate im Wasser gelagert, um große Trocknungsrisse zu vermeiden.
Außerdem mussten sämtliche Tanks für Treibstoff, Heizöl, Wasser und Abwasser gebaut werden. Insgesamt hat das Hanseschiff 10 Tanks für 8500 Liter Diesel, 4800 Liter Heizöl und 7000 Liter Wasser.
Highlight für die drei Bootsbaulehrlinge der Werft war der Bau des 4,5 m langen Rettungsbootes im Frühjahr 2003. In traditioneller Klinkerbauweise bauten sie aus Lärchen- und Eichenholz das Beiboot für das Hanseschiff. Die Planken wurden klassisch mit Kupfernieten verbunden.
Im Frühjahr wurden Schanzkleid und Vorkastell beplankt. Die Kalfaterarbeiten an Rumpf und Deck zogen sich bis in den Spätsommer hin. Schließlich mussten die 4170 m Nähte nicht nur kalfatert, sondern auch noch vergossen bzw. verkittet werden.
Nachdem im Sommer Vor- und Besanmast aufgestellt wurden – zur Probe standen alle drei Masten bereits im Sommer 2002 – bekam das Hanseschiff nun ein neues,für lange Zeit bestehendes Aussehen.
Im Mai 2003 wurden die 347 PS starke Hauptmaschine und der Generator eingebaut. Die Arbeiten im Maschinenraum zogen sich bis nach dem Stapelhub hin. Schließlich beherbergt dieser neben dem Volvo-Penta-Motor eine Abwasseraufbereitungsanlage, eine Zentralheizung, eine Feuerlöschanlage, das Hydrauliksystem und die Lenzanlage. Diese Systeme mussten eingebaut, angeschlossen und verrohrt werden. Außerdem wurde das Bugstrahlruder am Vorsteven montiert. Nach dem Stapelhub wurde die Elektrotechnik installiert. Dazu gehört auch der Einbau der Funk- und Navigationsanlagen.
Zeitgleich begann der Innenausbau. Die Kammern im Achterkastell wurden eingebaut. Auch wurden die Bodenlager im Laderaum gelegt. Auf diesen Balken ruht heute der Fußboden. Zuvor jedoch mussten 45 Tonnen Blei in der Bilge verstaut werden. Dieser, aus 37 kg schweren Bleibarren bestehende Ballast ist für die Stabilität des Schiffes unverzichtbar, oder einfach gesagt: ohne Ballast kippt das Schiff um.
Alle schweren größeren Bauteile waren nun im Schiff. Fortan durfte es auch nicht mehr hineinregnen. Das Großlukensüll und das Skylight auf der Großluke wurden aufgesetzt und die Luken für die Niedergänge und Notausstiege gebaut und montiert.
Im Herbst 2003 wurde die so genannte Wurmhaut auf das Unterwasserschiff genagelt. Die 0.8 bis 1,0 mm dicken Kupferbleche schützen den Eichenrumpf gegen Bohrmuschelbefall. Außerdem mindert das Kupfer den Bewuchs mit Algen und Seepocken. Unter dem Kupferbeschlag befinden sich drei Teeranstriche und eine Lage Teerfilz.
Im Winter waren zwei Segelmacher mit dem Nähen der Segel beschäftigt. Die Tuchbahnen waren zuvor von einer gewerblichen Segelmacherei zusammengenäht worden. Die meiste Arbeit – weil reine Handarbeit – hatten jedoch unsere Segelmacher mit dem Vernähen der Liektaue, Ösen und anderer Teile, die das Segeltuch erst zum Segel machen. Außerdem musste der 6x8 m große Lübeck-Adler auf das Großsegel gemahlt werden.
Auch die Montage der Festmacherpoller und der Klüsen durfte vor dem Stapelhub nicht vergessen werden. Schließlich muss das Hanseschiff nach dem Zuwasserlassen an der Pier festgemacht werden.
Auch jetzt, nach den ersten Probefahrten, gibt es noch eine ganze Menge zu tun. Neben den genannten Elektroarbeiten und der Fertigstellung des Innenausbaus und 1000 andere Kleinigkeiten müssen unser Bootbaumeister Heino Schmarje und seine Jungs noch bauen oder montieren, damit das Schiff seine technische Abnahme und Fahrerlaubnis erhält.