Der Lübecker Hafen
Schiffe zählen seit Menschengedenken zu den wichtigsten Transportmitteln für Menschen und Waren. Im Zusammenhang mit der Schifffahrt entstanden bedeutende Städte häufig dort, wo sich an den Küsten der Meere oder den Ufern schiffbarer Flüsse geeignete Plätze für die Anlage von Häfen fanden. Lübeck ist ein gutes Beispiel für diese Feststellung.
Schon das slawische „Liubice“ (Alt-Lübeck), an der Einmündung der Schwartau in die Trave gelegen, war zu seiner Zeit ein Fernhandelshafen, wie Funde und Befunde der 1138 zerstörten Siedlung belegen. Der holsteinische Graf Adolf II. von Schauenburg wagte dann 1143 eine neue Stadtgründung, die er Lübeck nannte. Er entschied sich, die Stadt auf dem von den Flüssen Wakenitz und Trave umgebenen eiförmigen Hügel Bucu anzulegen, der nur im Norden eine schmale Landverbindung aufwies. Der Platz war durch seine natürlichen Gegebenheiten für eine „geschützte“ Siedlung und einen Hafen bestens geeignet. Überdies war der Hügel auch schon in früheren Zeiten besiedelt gewesen, wie archäologische Funde belegen. Helmod von Bosau berichtet in seiner Chronik, der Platz sei „passend“ und für einen Hafen „trefflich“ geeignet.
So beginnt sehr schnell die Besiedlung der jungen Stadt mit deutschen Kaufleuten. Auch angeworbene Zuwanderer aus Westfalen, Friesland, Flandern und Holland siedeln sich auf dem Stadthügel an. Schon bald entwickelt sich ein erster Hafen, der sich im Bereich zwischen der heutigen Alfstraße und Braunstraße befand. Die sich schnell entwickelnde Schifffahrt zog alsbald auch Handwerker an, so unter anderem Schiffszimmerer, die sich auf den Bau und die Reparatur von Schiffen, überwiegend Koggen, verstanden. Auch Böttcher siedelten sich an, weil für den Transport vieler Waren Fässer benötigt wurden, die damals das übliche Verpackungsmittel waren.
Am Hafen entstand eine erste Uferbefestigung, die für die Zeit um 1157 belegt ist und um 1195 erneuert und verbessert wurde. Damit waren alle Voraussetzungen für das Be- und Entladen der Schiffe gegeben. Als Stapel- und Umschlagsplatz für die Handelswaren diente der etwa 40m breite Streifen zwischen der ersten Stadtmauer, um 1180 errichtet, und dem Ufer. Hier wure jedoch nicht nur gehandelt und gearbeitet, auch die Schiffsbesatzungen haben während der hafenzeit dort gelebt, gekocht und sich mit Spielen die Zeit vertrieben, wie durch archäologische Funde nachgewiesen ist.
Eine neue Stadtmauer, etwa um 1217 errichtet, rückte bis ca. 5 Meter an das Ufer der Trave. In dieser Zeit wird auch eine neue Spundwand gebaut. Durch diese Kaimauer und die Vertiefung der Trave können nun auch größere Schiffe bis zu einem Tiefgang von 2 Metern Waren anlanden. Für das Lagern und Umschlagen von Waren unmittelbar am Hafen blieb nun kein Raum mehr. Sie wurden jetzt in die nach und nach entstehenden Häuser der Kaufleute transportiert und dort in den Kaufkellern angeboten.
Die stürmische Entwicklung Lübecks führte zu Landaufschüttungen an der Trave, so dass sich der Hafen zum Ende des 13. Jahrhunderts bis zur heutigen Engelsgrube ausdehnen konnte. Durch den Bau der Holstenbrücke, belegt für das Jahr 1216, entstand ein Binnen- und ein Fernhafen, der sich nun über das gesamte stadtseitige Ufer der Trave mit mehr als 2 km Länge erstreckte. Der 800 m lange Binnenhafen diente vornehmlich dem Salzumschlag. Im Fernhafen legten die Fernhandelsschiffe an, getrennt nach den jeweiligen Bestimmungsorten (u.a. Bergen, Nowgorod, Visby, Stockholm,…). Die für den Hafen notwendigen Betriebe, wie Schiffswerften und Reeperbahnen, befanden sich nun am stadtfernen Ufer der Trave.
In das Fahrwasser der Trave ragende Anleger zur Ausweitung der Liegemöglichkeiten sind wohl erst im 16. Jahrhundert entstanden. Jedenfalls weisen dies archäologische Fund nach. Die Zahl der Schiffe, die jährlich im frühen Lübecker Hafen ihre Handelswaren umgeschlagen haben, ist nicht belegt. Die Quellen zu diesem Thema sind recht dürftig. Zum Beispiel sollen 1368 mit 250 Schiffen ca. 50.000 Heringstonnen von Schonen in Lübeck angelandet worden sein. Dies mag ein kleiner Hinweis über Umschlagsmengen in früher Zeit sein.